Bar Gabányi
Die Neugier und die Laune auf einen gepflegten Rausch leiten uns ins Viertel des Universitätsklinikums in München. Wir ziehen vorbei an scheinbar endlos aneinander gereihten Institutsgebäuden. Keine unangenehme Gegend – aber HIER soll eine der besten Bars Deutschlands angesiedelt sein? Weit und breit nichts zu merken von „in“, hippen Lokalen oder lebhaftem Treiben auf der Straße. Selbst unsere München-geborenen Begleiter verstummen zunehmend, schon insgeheim grübelnd, wohin sie uns denn nach dieser „Verirrung“ zur Entschädigung geleiten könnten.
Wir biegen in eine unauffällige Gasse gesäumt von Gründerzeithäusern und stehen vor der Bar. Soweit, so unscheinbar. Nur die grüne Leuchtschrift bestätigt uns am Ziel zu sein. Einer flüstert beim Hinabsteigen ins Souterrain: „das Gute an dieser abgelegenen Gegend ist, dass da drin bestimmt nichts los sein wird und wir genügend …“. Ich muss zweimal genau hinsehen, um zu erkennen, dass die markante Gestalt, die da bequem aber würdevoll am Treppenabgang hockt und raucht, eingehüllt in eine strahlend weiße Barjacke mit dem Ardbeg-Embassy Emblem und langer weißer Schürze, keine kitschige Deko ist, sondern Herr Stefan Ganbányi, Patron der namensgleichen Bar, höchstpersönlich.
Die Bar ist voll. Die Einrichtung schlicht und gepflegt. Mit Schnickschnack braucht man sich hier nicht abzugeben. Lebhafte aber unaufdringliche Musik aus der Konserve. Das Piano hinten in der Ecke bleibt heute stumm. Wir nehmen unsere Plätze direkt an der Bar ein. Alle Sitzgruppen und Tischchen sind besetzt – es scheint nicht so, als wolle jemand in absehbarer Zeit diesen Ort wieder verlassen. Schon nach kurzen Momenten stellt sich unser Platz am Tresen als Pole-Position für faszinierende Einblicke in den Barbetrieb heraus.
Am Werk ist Barkeeper Ken, der stets freundlich, umsichtig und hochprofessionell Drinks kreiert und Gäste betreut. Multitasking als Schaubeispiel. Er und das gesamte Team tragen ebenso die steril anmutende Tracht von Ardbeg-Embassy: weiße Barjacke und Schürze. Irgendwie passen sie ja doch ins hiesige Medizinerviertel…
Jeder Handgriff sitzt. Flink werden Eiswürfel aus der Wanne in Mix-Gläser geschaufelt, zahlreiche Flüssigkeiten mit größter Kunstfertigkeit und Augenmaß darüber gegossen. Geheimnisvolle Essenzen werden mit der Pipette tröpfchenweise zugesetzt. Ein kurzes fachmännisches Schnuppern an Flaschenhälsen und Rührwerkzeug – und schon kann die Komposition weitergehen. Die Ergebnisse sind optisch schlicht, bestechen aber durch geschmackliche Perfektion. Wer hier Banales wie „Malibu-Orange“ oder „Hugo“ bestellte, der würde vermutlich mit einem höflichen Lächeln und einer Lokalempfehlung in ein anderes Stadtviertel verabschiedet.
Die Barkarte weist ausschließlich „Empfehlungen des Hauses“ auf. Wahre Genießer lassen sich jedoch vom versierten Mann hinter der Bar beraten. Nennung von ein, zwei Ingredienzien – und schon kreiert Ken Drinks, deren Namen man noch nie gehört hat.
Outet man sich als wahrer Connaisseur – wie dies meine Begleitung tut - und gibt somit zu verstehen, dass man keinen der bekannten Ryes sondern einen Kentucky Rye – aber vielleicht ähnlich wie Hudson Manhattan Rye haben will, wird mit einem unauffälligem Nicken der Großmeister zur Beratung hinter den Tresen gerufen. Mit knappen Worten checkt Gabányi geschmackliche Vorlieben und Erfahrungen ab und greift mit Selbstverständnis ins Flaschenregal. Präzise erklärt er die Charakteristik des Inhalts und gibt mit der Autorität eines Arztes zu verstehen, warum genau DAS das Richtige für dich ist. Und es ist.
Nach dem Beratungsgespräch murmelt Gabányi kurze Anweisungen zu Ken und zieht sich wieder dezent zurück um seine zahlreichen weiteren Gäste zu betreuen. Das Charisma dieses Mannes strahlt Ruhe, Kompetenz, Mystik und Autorität aus-. Jeder scheint hier ein Stammgast zu sein. Die Enttarnung als Kenner hat den Vorteil, dass man nun nicht mehr mit Standardeiswürfeln Vorlieb nehmen muss. Geheimnisvoll wird von Barmann Tillmann ein Whiskey-Glas aus dem Eisschrank gegriffen und kurz ins Hinterzimmer verschwunden. Das Glas enthält bei seinem Wiedererscheinen ein wunderschönes handgepickeltes, faustgroßes Stück Eis, über welches der edle Whiskey-Cocktail gegossen wird. Kann das noch überboten werden? Gabányi kann.
Wie wollen wir da noch einen draufsetzen, grübelt er kurz. Dann die Eingebung. Ein markenloser 23 Jahre alter Vintage Rye wird aus dem verspiegelten Regal gefischt. Auch Ken kann noch einen draufsetzen. Geheimnisvoll schleicht er ins Hinterzimmer um mit einem glasklar transparenten Stück Eis in der unglaublich präzisen Form und Größe eines Tennisballs zurück zu kommen.
Begeistert staune ich und fordere auch sofort so eine Eiskugel ein – bitte mit Gin, Limette, Ingwer und sonst irgendwas… Mit einem amüsierten Lächeln und einem „das muss man sich erst verdienen“ werde ich kühl als Bar-Rookie abgespeist. Fair enough…
Beethovenplatz 2, 80336 München